Verein zur Erhaltung von
Baudenkmalen in Wrisbergholzen

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Alte Fayence Manufaktur

Die Alte Fayence Manufaktur Wrisbergholzen ist – als eines der ältesten Fabrikgebäude aus der vorindustriellen Zeit im 18. Jahrhundert – ein besonderes Baudenkmal und vermutlich einzigartig als ehemalige Fayence Manufaktur im noch erhaltenen historischen Gebäude. Der desolate Zustand des Manufakturgebäudes war 1984 Anlass für die Gründung des Vereins zur Erhaltung von Baudenkmalen. Seitdem beschäftigt sich der Verein zunächst mit seiner Instandsetzung und folgend der Erhaltung. Dabei wurden die Innenräume für die Nutzung als Sitz des Vereins hergerichtet und in Teilen der Öffentlichkeit im Rahmen von Besichtigungen und Veranstaltungen zugänglich gemacht.
 
Manufaktur 1982
1984
Manufaktur 1982
1984
Manufaktur 2014
2009
Manufaktur 2009
2009
Freiherr Rudolf Johann von Wrisberg
Freiherr Rudolf Johann von Wrisberg

Vorgeschichte & Entstehung

Im Jahre 1735 ließ der Freiherr Rudolf Johann von Wrisberg (Bild links), der zu dieser Zeit als Oberappellations-Gerichtspräsident in Celle tätig war, durch seinen Verwalter Rasch erste Nachforschungen über die Möglichkeit zur Errichtung einer „Pfeifenfabrik“ anstellen. Während die Pfeifenproduktion wegen des Mangels des für die Pfeifenherstellung wichtigen Kaolins nicht zustande kam, entdeckte man jedoch bei dieser Gelegenheit Tonvorkommen, die sich nach Probebränden durch Duinger Töpfer für die Herstellung von Fayencen als geeignet erwiesen. Da in den gutseigenen umliegenden Wäldern ausreichend Brennholz für das Betreiben eines Brennofens vorhanden war, entschloss sich Rudolf Johann von Wrisberg zur Erichtung einer großen Manufakturanlage.

Die Gebäude der „Porcellaen-Fabrik“ wurden im Jahre 1736 auf dem Küchengartengelände nordwestlich des Schlosses an der Unteren Dorfstraße errichtet. An den Vorüberlegungen zur Errichtung der Manufaktur war Ernst Julius Bütemeister beteiligt. Nach dessen plötzlichem Tod setzte Rudolf Johann von Wrisberg am 1. Januar 1736 dessen Bruder, den späteren herzoglich Lüneburgischen Landbaumeister Erich Joachim Bütemeister, ein, der die begonnenen Arbeiten fortführen und beenden sollte.

Wahrscheinlich gehörten bereits bei der Gründung folgende Räume zur Manufaktur, die 1811 in einem Gebäudeinventar genannt wurden:

Unten: 2 Stuben, 2 Kammern, 2 Küchen, 1 Warenpackerei, 1 leeres Haus mit leerem Ofen, auch noch eine Kammer, wo das Geschirr in und aus dem Ofen getragen wurde.
Oben: 2 Warenzimmer, 1 Saal, 1 Maler- und 1 Dreherstube, 1 großer Boden, außerdem ein gedoppelter Keller

Weitere Gebäude, die heute nicht mehr existieren, befanden sich auf der Nordseite der Manufaktur; darunter ein großes freistehendes Gebäude auf quadratischem Grundriß, wahrscheinlich die notwendige Glasurmühle in Form eines Pferdegöpels. Im Gebäude wohnten der jeweilige „Fabriquer“ (Verwalter) sowie der Glasurmeister.

Das Manufakturgebäude ist in seiner ursprünglichen Bausubstanz und Raumstruktur nahezu unverändert erhalten geblieben und dadurch von hohem Anschauungswert. Es ist das einzige erhaltene Beispiel eines als Fayence-Manufaktur errichteten Baus aus dem 18. Jahrhundert in Norddeutschland.

Die Produktion

Von 1737 bis 1834 wurden Fayencen und Steingut von unterschiedlicher Qualität produziert. Ein großer Teil war für den täglichen Gebrauch bestimmt. Diese Produktion fand in der Umgebung und in größeren Städten (Göttingen, Braunschweig, Hildesheim, Holzminden) ihren Absatz. Die lange Aufrechterhaltung des Betriebes über fast 100 Jahre ist in dieser Zeit ungewöhnlich und macht deutlich, dass die Produkte der Manufaktur trotz der Konkurrenz insbesondere im südniedersächsischen Raum (Hannoversch-Münden) offensichtlich beliebt und an die Kaufkraft der Abnehmer angepasst waren. Die erhaltenen für den normalen Gebrauch bestimmten Fayencen wie Walzenkrüge, flache Teller, Blumentöpfe und Tintengefäße sind mit einfachen Mustern versehen und waren daher relativ preiswert. Daneben gab es für eine finanzkräftigere Käuferschicht eine Reihe von Produkten wie Balustervasen oder Teller, die teilweise mit chinesischen Motiven verziert sind. Die schwierige Produktion von großformatigen Wandfliesen war mindestens 40 Jahre lang ein Produktionszweig, mit dem sich Wrisbergholzen über die Leistung anderer deutscher Fayence-Manufakturen erhob. Besonders hervorzuheben ist dabei das Fliesenzimmer im Schloss von Wrisbergholzen, dessen vollständig mit Fliesen verkleidete Wände emblematische Motive zeigen. Hinzuweisen ist auch auf die Fliesentableaus des zerstörten Schlosses Ruthe (heute in der Manufaktur, s. Bild rechts), des ehemaligen Gartensaals des bischöflichen Palais in Münster (heute im Diözesanmuseum, Münster) und eines Baderaumes im königlichen Badehaus in Bad Rehburg.

Anmerkung:
Obiger Text enthält Passagen aus Vorträgen des Initiators und ehemaligen Vorsitzenden des Vereins, Ulrich Pagels, Hannover, sowie Zeichnungen von ihm. 

Fliesentableau
Tableau mit Jagdszene, ehem. im Schloss Ruthe

Brennraum & Brennöfen

Im Mai 1990 wurden im Gebäude der Fayence-Manufaktur in Wrisbergholzen im Rahmen eines Studienseminars für Architekturstudenten des Instituts für Bau- und Kunstgeschichte der Universität Hannover (aus dem später die Diplomarbeiten zweier Studentinnen entstanden) die Grundmauern des ehemaligen Brennofens der Manufaktur an der vorher vermuteten Stelle gefunden und freigelegt:

Grabungsfunde in Wrisbergholzen 1990

Bei den umfangreichen Grabungen wurden u. a. viele Bruchscherben und Werkstücke aus der Produktion gefunden. Ein Teil ist heute in einem „kleinen Museum“ in der Manufaktur zu besichtigen, die interessantesten Fundstücke wurden jedoch 1992 dem Kestner-Museum in Hannover als langfristige Leihgabe übergeben, z.B.:

Walzenkrug, 2. Hälfte 18. Jahrhundert, Bruchstücke farblos ergänzt, und Bruchstücke von
drei Walzenkrügen
derselben Fertigungsserie 


Fehlbrand von dunkelbraun lasierten Steingutscherben mit Schamotteplatte

 

Links ist ein Brennboden mit Spuren eines Fehlbrands zu sehen. Diese Schamotteplatten dienten als „Einlegeböden“ in geschlossenen, zylinderförmigen Muffelkapseln, die das Brenngut mit seinen Lasuren vor dem direkten Kontakt mit dem Feuer und aggressiven Dämpfen schützten. Bruchstücke diverser Gipsmodeln, die in der Fayence-Manufaktur verwendet wurden. Das Gesicht ist ein neu entstandener Gipsabdruck der entsprechenden alten Form daneben.

 

Einen Eindruck davon, wie der Brennofen in Wrisbergholzen ausgesehen haben könnte, vermitteln folgende Bilder eines Stiches aus dem 16. und eines Fliesentableaus aus dem 18. Jahrhundert, die ähnliche Öfen darstellen:

Der Meister, im Bild vorn links, überwacht den Brand, liest an der vor ihm stehenden Sanduhr die Brenndauer ab und lässt Holz aus dem Ofen ziehen, um die Glut zu mildern.
Aus „Tre libri sull’arte ceramica“ von Cipriano Piccolpasso, 1556 -1559. 

 

Tableau Fliesentableau mit Darstellung einer friesischen Fayencetöpferei, Bolsward, datiert 1737

Übersichtsdaten zur Fayence-Manufaktur

1736

erbaute Erich Joachim Bütemeister, der Baumeister des Schlosses und der Gutsanlage in Wrisbergholzen, die Fayence-Manufaktur

Seit 1945

Unterbringung von bis zu 8 Flüchtlingsfamilien

1737 - 1834

Produktion von Fayencen, Fliesen und Steingut

Seit 1964

mit Ausnahme einer Wohnung im Erdgeschoß ungenutzt, zunehmende Verschlechterung des baulichen Zustandes

Seit 1834

diente das Gebäude zu Wohnzwecken für Bedienstete des Schlosses wie Gartenmeister, Förster o.ä.

1984

Übernahme und folgend Instandsetzung durch den Verein zur Erhaltung von Baudenkmalen in Wrisbergholzen e.V.

Weblinks: 
Beschreibung der Wrisberg’schen Fayence-Manufaktur in Wikipedia
Wikimedia-Commons (weitere Fotos)

Fayence Manufakturen anderswo:
In den Niederlanden gibt es im Ort Harlingen seit 1972 eine Manufaktur, die nach alten Vorbildern an historischer Stätte wieder Fayencen in Handarbeit herstellt. 1987 wurde auch in Harlingen bei einer archäologischen Grabung der Brennofen der alten, dort schon 1598 gegründeten Fabrik freigelegt. Unter http://www.harlinger.nl kann man mehr darüber erfahren.