Verein zur Erhaltung von
Baudenkmalen in Wrisbergholzen

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Copyright Foto Frontseite: Wolfgang Ness, Verein; Parkseite: Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Das gräfliche Schloss zu Wrisbergholzen

Eines der schönsten Schlösser Niedersachsens liegt im Dornröschenschlaf

Seit dem frühen Mittelalter verfügte die Adelsfamilie von Wrisberg über Besitz und Eigentum im ehemals bischöflichen, 1146 erstmals bezeugten ,,curtis Holthusen“. Hier, in landschaftlich reizvoller Lage, ließ sich der Freiherr Rudolph Johann durch die Brüder Bütemeister aus Moringen eines der schönsten Barockschlösser Niedersachsens erbauen. Mit dem großen, zweigeschossigen Mittelteil und den rechtwinklig vorgerückten Seitenflügeln bildete es den Abschluß der von stattlichen Wirtschaftsgebäuden flankierten Gutsanlage.

Über den Türsturz des Hauptportals ließ der Bauherr seinen Namen und den seiner Gemahlin Christina Henriette von Goertz setzen; im Dreiecksgiebel des Mittelrisalits benennt das Allianzwappen mit der Jahreszahl 1745 die Fertigstellung. Im Erdgeschoß befindet sich hinter einer weiträumigen Eingangshalle ein großer Speisesaal. Eine Freitreppe führt zu dem darüberliegenden, über zwei Stockwerke reichenden Prunksaal mit schönen Stuckverzierungen.

Ein Bilderbuch seltener Art bietet sich dem Auge im linken Schlossflügel, wo die Wandflächen eines Raumes nach holländischer Manier mit 680 verschieden bemalten Emblemfliesen aus der von 1737 bis 1834 in Wrisbergholzen betriebenen Fayence-Fabrik bekleidet sind. (=> Fliesenzimmer)

Kaum zwei Jahrzehnte lang durfte sich der Erbauer des herrlichen Hauses und seiner reichen Ausstattung erfreuen. Mit seinem Tode im Jahre 1764 ging der Besitz an die Tochter seines frühverstorbenen Bruders über, die mit Carl Friedrich von Schlitz, genannt von Goertz, vermählt war. Bei dieser Familie, deren Mitglieder seit 1817 den Grafentitel tragen, verblieben Gut und Schloss bis in die Gegenwart, und so fügten sich auch die Namen von Goertz und von Wrisberg zusammen.

Dem 1986 verstorbenen Eigentümer, Graf Goertz von Wrisberg, fehlten zu seinem Leidwesen finanzielle Mittel, um dringend erforderliche Renovierungen vorzunehmen. So musste er auch den einst so prächtigen, 20 Morgen großen Park mit wertvollem, seltenen Baumbestand der Verwilderung überlassen. (=> Schlosspark)

In Anlehnung an H. M. Humburg (aus der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung)

Geschichte der Schlossanlage

Wann erstmalig ein festes Haus (Burg, Schloss) in Wrisbergholzen errichtet wurde, ist unklar. Erste Erwähnungen des Dorfes, das ursprünglich den Namen Holthusen bzw. Holtensen oder Dietrichholzen hatte, sind aus dem Anfang des 11. Jh. bekannt (bischöfliche „curtis“ Holthusen). Das Auftauchen des Dorfnamens Wrisbergholzen steht nach einer Sage in Zusammenhang mit der Heirat einer Erbtochter der Holthusens mit einem von Wrisberg. Die erste urkundliche Erwähnung der Herren von Wrisberg ist in das Jahr 1350 zu setzen. Es ist davon auszugehen, dass bereits zu dieser Zeit eine mittelalterliche Burganlage vorhanden gewesen ist.

Der erste konkrete Hinweis auf eine Burg- oder Schlossanlage lässt sich aus einer historischen Karte aus dem Jahre 1589 entnehmen. Dargestellt ist eine kleinere Dorfanlage mit dem von einem Wassergraben umgebenen Schloss in der Mitte. Obwohl relativ schematisch dargestellt, stimmt die Karte doch in vielen Einzelheiten mit der heutigen topographischen Situation überein. So sind beispielsweise die ehemaligen Straßen nach Alfeld bzw. Winzenburg eingetragen, die Kirche liegt unmittelbar benachbart dem Schloss, kleinere Ansammlungen von Wohngebäuden liegen südlich der Kirche und nördlich von Kirche und Schlossanlage.

Vom Wassergraben aus werden zwei Teiche gespeist, mit deren Wasser zwei Mühlen angetrieben werden. Auch heute noch ist im Osten der Parkanlage eine Mühle vorhanden, eine zweite Mühle war bis in die jüngere Zeit etwa am eingezeichneten Standort in der Nähe des Überganges vom Wassergraben zu den Teichen vorhanden. Beim Schlossbau handelt es sich nach der Zeichnung vermutlich um einen zweiflügeligen zweigeschossigen Massivbau in Renaissanceformen, der stilistisch durchaus in die Zeit der Erstellung der Karte gesetzt werden könnte. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um den Vorgängerbau des heutigen Schlosses gehandelt hat, da in der Zeit zwischen 1589 und dem Neubau der heutigen Anlage 1740 keine Hinweise auf einen weiteren Bau zu finden sind.

Schloss 1850
Stahlstich um 1850, Original im Besitz der gräflichen Familie von Görtz-Wrisberg, Wrisbergholzen

Die heutige Schlossanlage (Gesamtanlage) entstand in den Jahren 1740 – 1745 unter Johann Rudolph von Wrisberg, erbaut durch die Gebrüder Bütemeister aus Moringen. Bauherr und Baumeister hatten wenige Jahre zuvor schon die Fayencemanufaktur errichtet (1736). Ob beim Neubau Teile des Vorgängerbaus mit verwandt wurden oder der Vorgängerbau vollständig abgebrochen wurde, ist nicht bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei der klaren und konsequenten Konzeption der neuen Anlage in barocker Manier nicht auf Elemente des alten Schlosses zurückgegriffen wurde. Übernommen wurde lediglich der bereits vorhandene Wassergraben, der jedoch in einer dem Neubau entsprechenden Anlage in streng symmetrischen Formen neu konzipiert wurde. Der Wassergraben umschloss ursprünglich die gesamte Gutsanlage, die durch eine heute noch vorhandene Brücke im Westen unmittelbar gegenüber der Kirche erschlossen wird. Teile des Grabens sind jetzt im südlichen Bereich und östlich zur Parkseite zugeschüttet.

Die Baulichkeiten der Gutsanlage bestehen aus dem im Osten gelegenen Herrenhaus und den davor um eine freie Hoffläche symmetrisch angeordneten Wirtschaftsgebäuden. Dies sind z.B. ehemalige Gesindehäuser unmittelbar hinter der Hofzufahrt, die in Verbindung mit einem Brauhaus und Speicherräumen den westlichen Abschluss des Gutes bilden. Zwischen diesen langen Gebäudeflügeln und dem Herrenhaus schließen sich jeweils beidseitig zwei Stall- und Scheunengebäude an. Sämtliche Bauten sind in massiver Bauweise errichtet und verputzt. Als Mauerwerk fand Kalkstein der näheren Umgebung Verwendung, der in Verbindung mit Sandstein für die Eckquaderungen verbaut wurde. In einem der nördlichen Wirtschaftsgebäude (Pferdestall, Remise und Schmiede) ist unter dem Putz Ziegelmauerwerk erkennbar; ein Beleg, dass hier ein Ersatzbau am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist, der sich jedoch in Formensprache und dem äußeren Erscheinungsbild ganz der historischen Barockanlage anpasst. 

Den östlichen Abschluss des Gutes bildet das dreiflügelige Schlossgebäude, bestehend aus dem zweigeschossigen Mitteltrakt mit fünfachsigem übergiebelten Mittelrisalit und doppelläufiger Freitreppe sowie den rechtwinklig vorspringenden zweigeschossigen Seitenflügeln. Wie bei den Wirtschaftsgebäuden handelt es sich um einen verputzten Massivbau aus Kalkstein mit Eckquaderungen aus Sandstein. Das hohe Mansarddach des Mitteltraktes und die Walmdächer der Seitenflügel sind im Gegensatz zur Tonpfannendeckung der Wirtschaftsgebäude hier mit Schiefer belegt. Der insgesamt relativ schmucklose und schlichte Baukörper wird im Bereich des Mittelrisalits durch den Dreiecksgiebel betont, in dem u.a. zwischen Zier- und Rankenwerk die Wappen der Wrisbergs und der von Goertz´ sowie das Baujahr 1745 erkennbar sind. Im Inneren ist erwähnenswert die große Eingangshalle (Vestibül) im Erdgeschoss mit der Treppenanlage und dem dahinter liegenden Gartensaal. Im Obergeschoss direkt darüber liegt der große Prunksaal (Weißer Saal) mit hervorragenden Stuckarbeiten. 

Weiterhin befindet sich im Erdgeschoss des nördlichen Seitenflügels ein Raum, dessen Wandflächen nach Art holländischer Innenräume vollständig mit großformatigen Wandfliesen aus der ehemaligen gräflichen Fayencemanufaktur belegt sind. Die Fliesen zeigen Darstellungen emblematischer Vorlagen aus dem 16./17. Jahrhundert von Joachim Camerarius, Otto van Vaen und Diego Saavedra. Sie dürften in der Zeit um 1750 hergestellt und angebracht worden sein und geben mit bildlichen Darstellungen, Sinnsprüchen und -gedichten Lebensweisheiten und Vorstellungen der Renaissancezeit wieder. Dieses seltene „Raumkunstwerk“ ist wohl eines der beeindruckensten Teile des Schlosses.

Ebenfalls Teil der Gesamtanlage ist der vom Schlossbereich bis zur unteren Mühle reichende Landschaftspark, eine Erweiterung der ursprünglich erheblich kleineren barocken Anlage. Die Umgestaltung erfolgte über mehrere Jahrzehnte hinweg, beginnend etwa im Ausgang des 18. Jh. bis in die 60er Jahre des 19. Jh. Der heutige Zustand des Parkes muss letztlich zurückgeführt werden auf eine Gestaltung des ausgehenden 19. Jh., in die die älteren Gestaltelemente des Landschaftsparkes mit einbezogen und übernommen wurden. Als Baulichkeiten innerhalb des Parks sind besonders erwähnenswert die beiden Teiche, die Anlage eines Wasserfalls mit Grotte, ein auf einem Hügel gelegener Teetempel, die Eingangsportale zum Park und die gräfliche Gruft. In Verbindung zu Park und Schloss steht auch die um 1860 errichtete Orangerie, nördlich des Wassergrabens gegenüber der Fayencemanufaktur gelegen. Es handelt sich um einen kleinen, über quadratischem Grundriss errichteten Bau mit einer nach Süden ausgerichteten Schaufassade in neogotischen Formen. Ursprünglich befanden sich jeweils an der West- und Ostseite Anbauten von Glashäusern, von denen aktuell nur die restaurierten Grundmauern erkennbar sind.